isländische Literatur.

isländische Literatur.
isländische Literatur.
 
Nach der Blütezeit der altisländischen Literatur im 13. Jahrhundert (altnordische Literatur) lebten manche ihrer Stoffe und Formen auch in der Folgezeit weiter.
 
 14. Jahrhundert
 
Aus der jüngeren »Fornaldar sögur« und den übersetzten »Riddara sögur« entwickelten sich unter Verwendung internationaler Volkserzählstoffe die »Lygisögur« (»Lügensagas«), die noch jahrhundertelang populär blieben. Ebenfalls seit dem 14. Jahrhundert wurden zahlreiche Stoffe, insbesondere Sagas, unter Verwendung von Kunstmitteln der Skaldendichtung in erzählende Lieder (Rímur) umgedichtet. Höhepunkte der geistlichen Dichtung sind das 100 Strophen umfassende Mariengedicht »Lilja« (»Lilie«) von Eysteinn (Mitte des 14. Jahrhunderts), die Werke des letzten katholischen Bischofs auf Island, Jón Arason (* 1484, ✝ 1550), und die »Passíusálmar« von Hallgrímur Péturson. Der bedeutendste weltliche Dichter der Zeit ist der vielseitige und umfassend gebildete Stefán Ólafsson.
 
 Nach der Reformation
 
Diese Zeit ist gekennzeichnet durch eine reiche theologische Gebrauchsliteratur; bedeutend ist die vollständige Bibelübersetzung von Guđbrandur Thorláksson. Das zunehmende wissenschaftliche Interesse führte zu einer isländischen Renaissance mit Arngrímur Jónsson (* 1568, ✝ 1648) als Hauptvertreter. Es entstanden die ersten isländischen Reisebeschreibungen, so die »Lebensbeschreibung« (»Æfisaga«) von Jón Ólafsson (* 1593, ✝ 1679). Angeregt durch das neue Interesse an der eigenen Geschichte in Dänemark und Schweden, widmete man den altisländischen Quellen starke Aufmerksamkeit. Nach der Auffindung des »Codex Regius« der Lieder-Edda (Edda) 1643 begann eine systematische Sammeltätigkeit. Bedeutendster Sammler und Bearbeiter isländischer Handschriften war Árni Magnússon (* 1663, ✝ 1730), in ähnlicher Weise wirkte auch der Historiker Þormođur (Thormođur) Torfason (* 1636, ✝ 1719), genannt »Torfaeus«.
 
 18. und frühes 19. Jahrhundert
 
Mit dem Eindringen aufklärerischer Ideen wurden diese isländischen Studien ausgeweitet. Bischof Finnur Jónsson (* 1704, ✝ 1789) schrieb eine grundlegende Kirchengeschichte Islands. Der aufklärerische Dichter Eggert Ólafsson (* 1726, ✝ 1768) verfasste u. a. mit dem Arzt Bjarni Pálsson die erste umfassende Beschreibung Islands (1772). In pietistischer Tradition schrieb der Geistliche Jón Steingrímsson (* 1728, ✝ 1791), dessen Autobiographie eine der wichtigsten Quellen für die Kultur- und Sozialgeschichte der Zeit darstellt. Der v. a. als Verfasser von Komödien in der Tradition L. von Holbergs tätige Sigurđur Pétersson (* 1759, ✝ 1827) begründete die Anfänge des öffentlichen Theaters in Island. Der international orientierte Hauptvertreter der Aufklärung in Island, Magnús Stephensen (* 1762, ✝ 1833), versuchte, durch Übersetzungen und lehrhafte Abhandlungen das Wissen und den Geschmack des Volkes zu heben.
 
 
Der Beginn der Romantik in Island wird markiert durch die Gründung der Zeitschrift »Fjölnir« (erschienen 1835-47), unter deren Herausgebern v. a. der Lyriker Jónas Hallgrímsson (* 1807, ✝ 1845) die Dichtung der folgenden Jahrzehnte beeinflusste. Von Bedeutung, v. a. für die Lyrik, sind Bjarni V. Thórarensen, Grímur Þ. Thomsen, Benedikt S. Gröndal (* 1826, ✝ 1907), Steingrímmur Thorsteinsson und Matthías Jochumsson. Die Rimurdichtung erreichte mit Sigurđur Breiđfjörđ (* 1798, ✝ 1846) und Hjálmar Jónsson einen letzten Höhepunkt. Vorläufer einer neueren isländischen Prosa waren u. a. die Jahrbücher Islands in Geschichtsform (»Íslands árbækur i sögu-formi 1262-1832«, 12 Bände, herausgegeben 1821-55) von Jón [Jónsson] Espólín (* 1769, ✝ 1855); den ersten neuen isländischen Roman schrieb Jón Þ. Thoroddsen. Das isländische Drama erlangte erst seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Bedeutung mit Stücken von Matthías Jochumsson, Indriđi Einarsson (* 1851, ✝ 1939) und v. a. Jóhann Sigurjónsson.
 
 19. und 20. Jahrhundert
 
Die Gewährung einer teilweisen (politischen und finanziellen) Autonomie im Jahre 1874 erfolgte zu einer Zeit schwerer wirtschaftlicher Not in einer kaum industrialisierten Gesellschaft. Die zahlreichen sozialen Konsequenzen hieraus spiegeln sich v. a. in der Prosa wider. Mehrere Autoren begannen als Realisten, wurden aber später stärker von den Neuromantikern beeinflusst. Zu nennen sind v. a. Einar Benediktsson, Þorsteinn Erlingsson (* 1858, ✝ 1915), Gestur Pálssonn, Hannes P. Hafstein (*1861, ✝ 1922), Jón Stefánsson (* 1851, ✝ 1915), Guđmundur Friđjonsson (*1869, ✝ 1944), Einar Hjörleiffson Kvaran, der Lyriker und Dramatiker Dáviđ Stefánsson (Frá Fagraskógi), der v. a. auch in Deutschland bekannte Kinderbuchautor Jón Svensson, der unter dem Pseudonym Jón Traustí schreibende Guđmundur Magnússon, Guđmundur Kamban, der früh nach Amerika ausgewanderte Stephan G. Stephansson sowie Tómas Guđmundsson (* 1901, ✝ 1983), mit dessen volkstümlichen Gedichten die isländische Neuromantik einen späten Höhepunkt erreichte.
 
Nach dem Ersten Weltkrieg zeigte sich einerseits eine Weiterführung der neuromantischen, national-konservativen und dem Traditionalismus verhafteten Literatur mit Autoren wie Kristmann Guđmundsson und Guđmundur G. Hagalin (* 1898, ✝ 1985), andererseits eine bewusste Abkehr hiervon und eine Hinwendung zu sozialistischen Vorstellungen. Als Forum diente ihnen die 1935 gegründete Zeitschrift »Rauđir pennar«, später »Tímarit Máls og menningar«. Hauptvertreter waren Thórbergur Thorđarson und Halldór Stefánsson (* 1892, ✝ 1979). Diesem Kreis gehörte auch Halldór Kiljan Laxness an, der spätere Literaturnobelpreisträger und bedeutendste Schriftsteller des modernen Island. Der Gruppe stand in jungen Jahren Ólafur J. Sigurđsson nahe, einer der wichtigsten Autoren der Zwischenkriegszeit. In der Lyrik, die durch diese Krisenjahre geprägt wurde, sind Jóhannes Jónasson (úr Kötlum), Stein Steinarr, Guđmundur Bödvarsson (* 1904,✝ 1974), Snorri Hjartarsson (* 1906, ✝ 1986) sowie Jón úr Vör (* 1917) zu nennen.
 
Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ist geprägt durch wirtschaftlichen Aufschwung, aber auch durch eine hohe Inflationsrate, Landflucht und die Errichtung einer amerikanischen Militärbasis. Im ersten Jahrzehnt nach Kriegsende erweckte v. a. die Gruppe der »Atómskáld« (»Atomdichter«) große Aufmerksamkeit: junge Lyriker, die entweder freie Rhythmen anwendeten oder eine komplizierte Metaphorik bevorzugten; dazu gehören Hannes Sigfússon (* 1922, ✝ 1997), Sigfúss Dađasson (* 1928), Jón Óskar (* 1921) und Stefán H. Grímsson (* 1919). Mehr an traditioneller Lyrik orientiert ist dagegen der Literaturwissenschaftler Hannes P. Pétursson. Wichtige Prosaschriftsteller der 50er-Jahre sind Indriđi Thorsteinsson und Thor Vilhjálmsson. Wesentlichen Anteil an einer Neubelebung des Romans haben seit den 60er-Jahren der vom Nouveau Roman beeinflusste Guđbergur Bergsson (* 1932)) sowie die Autorinnen Jakobína Sigurđardóttir, Svava Jakobsdóttir; in den letzten Jahren machten auch Gyrdir Eliasson (* 1961) mit Kurzprosa und Steinuum Sigurđardóttir (* 1950) sowie Einar Kárason (* 1955) mit Romanen auf sich aufmerksam, an denen ein Prozess der Wiederentdeckung der ursprünglichen isländischen Natur und des Kulturraums Island zu erkennen ist.
 
 
S. Einarsson: History of Icelandic prose writers, 1800-1940 (Ithaca, N. Y., 1948);
 B. M. Gíslason: Islands litteratur efter sagatiden ca. 1400-1948 (Kopenhagen 1949);
 R. Beck: History of Icelandic poets, 1800-1940 (Ithaca, N. Y., 1950);
 S. Einarsson: A history of Icelandic literature (New York 1957);
 W. Friese: Nord. Literaturen im 20. Jh. (1971);
 H. Pétursson u. H. Sæmundsson: Íslenzkt skáldatal, 2 Bde. (Reykjavik 1973-76);
 
Grundzüge der neueren skandinav. Lit., hg. v. F. Paul (1982);
 
Nord. Literaturgesch., hg. v. M. Brønstedt u. a., 2 Bde. (a. d. Dän., 1982-84).
 
Märchen aus Island, hg. u. übers. v. K. Schier (1983).

Universal-Lexikon. 2012.

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